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Telefon
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Tolle Kommentierte Überlegungen

Unter dem ganzen Haufen ausgehändigter Akten finden sich im Prinzip keine Abhörprotokolle. Es gibt zwar ganze 43 Ordner zur Telekommunikationsüberwachung, also Telefon, Internet, Verbindungsdaten und vermutlich welche mit Beschlüssen zur Rechtfertigung des Vorgehens, aber diese werden nicht heraus gegeben. Schließlich hat sich herausgestellt, dass das Abhören illegal war und was nicht existieren darf, kann angeblich auch nicht für die Betroffenen kopiert werden. Lediglich eine Einsicht vor Ort sei möglich, aber nur für die Verteidiger_innen. Aha.

Das BKA hat schon 2007 eine Zusammenstellung besonders spannender Dinge verfasst, um die Notwendigkeit einer Hausdurchsuchung darzustellen. In dieser Akteneinsicht finden sich dann doch einige wenige Transkripte vergangener Gespräche. Zu jeder_m von uns findet sich dort ein Abschnitt, hier einige wenige Beispiele aus „meinem“.

Meine Freund_innen gucken fern

Die Erkenntnisse zu mir beginnen erst einmal mit einer Menge Telefonate meiner mit-betroffenen Freund_innen. Keines der Gespräche ist für mich heute spannend, für die Repressionsbehörden sind sie alle „verdächtig“.

Verdächtig ist eine politische Kinoveranstaltung und der letzte Sommerurlaub. Brokdorf und Zugfahren, das Reisen ohnehin, und ob man denn nun zu der geplanten Veranstaltung kommt.

Dann komme ich zu meinen vergangenen Gesprächen.

Belanglosigkeiten über malen und das Radio

Die aufgeführten Gespräche, die ja lediglich ein „Best of“ aus Sicht der Überwachenden sind, sind demnach meist als „verdächtig“, manche als „verdächtig politisch“ klassifiziert. Zusätzlich gibt es in der Regel den Hinweis „Verfahrensrelevant | Nein“. In einem weiteren Teil tauchen dann doch noch „verfahrensrelevante“ oder wahlweise „tatsächlich verfahrensrelevante“ Gespräche auf. Nach welchen Kriterien die Einsortierung gemacht wird, bleibt jedoch ein Geheimnis.

Da habe im Herbst 2006 ich doch glatt herausgefunden, dass Marker auf Tapete nicht so gut halten und wo man die kaufen kann (aber ja nun nicht kaufen will). Mitte Oktober habe ich einen Termin verpasst. Welchen, wurde am Telefon einfach nicht erwähnt, aber der Castor, der fährt wohl früher.

Zwischen drin immer wieder Mails von unserer Mailingliste zu Pressearbeit und Abendessen oder eine verdächtige Rückrufbitte auf dem Anrufbeantworter. Wirklich viele Gespräche zu unserer Radiosendung im Freien Radio sind dabei. Egal, ob wir das besprochene Thema spannend finden, es ist verdächtig.

Die Stalker vor dem Fenster

„Verfahrensrelevant“ aber anscheinend weder verdächtig noch politisch ist es, wenn man sich über Zivis vor der Tür, Viren auf dem Notebook, vor die Tür gestelltes Altpapier und G8-Treffen in der Flora unterhält. Das tue ich, glaubt man den Aufzeichnungen, im März 2007.

Die als Stalker benannten mutmaßlichen Zivis vor dem Haus einer Freundin haben ein neues Auto und sitzen nun als Handwerker verkleidet darin herum. Unklar bleibt auch nach dem Transkript, ob es nun wirklich Zivis sind oder nur Handwerker mit einer ausgedehnten Achtstunden-Pause. Letzteres wäre schöner, wobei die Frage offen bleibt, was sie nun ausgerechnet vor dem Fenster wollen.

Was es mit dem in der Kurzbeschreibung angeführten Virus auf sich hat, erfahre ich nicht und kann mich auch nicht mehr erinnern. Dafür wird der Part mit dem vor die Tür gestellten Altpapier nochmal erwähnt. In dem Telefonat sage ich anscheinend, dass da eh nichts spannendes drin sei.

Als spannender wird dann schon das „G8 Dingsbums“ (ich kann mir kaum vorstellen, dass ich das wirklich gesagt habe. Sie übersetzen es mit „Treffen“) in der Flora gesehen. Das ist nämlich nicht in der betreffenden Woche, sondern erst in der nächsten.

Wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, dass irgendwelche XXX1 private Gespräche, die sie einfach mal gar nichts angehen, aufschreiben, gewinnt das Ganze eine gewisse Komik.

Vom langweiligen Leben

Der Transkribierende muss ein langweiliges Leben haben und so kommentiert er meines. Am liebsten Gespräche, die sich im weitesten Sinne um Beziehungen zwischen mir und anderen Menschen drehen. „Sie sind sich mal wieder nicht einig…“ erkennt er messerscharf und teilt via Akte seine Ansichten über Nähe und Probleme mit. Das ist zwar weder relevant noch verdächtig – wo er_sie sich aber schon mal so viel Mühe gegeben hat will er_sie es der Welt nicht vorenthalten. Eigentlich würde er vermutlich viel lieber für die Psycho-Seite im Goldenen Blatt schreiben…

1bitte durch ein politisch einwandfreies, abgrundtief hasserfülltes Schimpfwort deiner Wahl ersetzen

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